Hildegard von Bingen

Die Lehre von Hildegard von Bingen



Es gibt viele Wege, sich Hildegard von Bingen zu nähern und kennenzulernen… Der populärste Zugang zu Hildegard ist ihre Medizin, die auf der christlichen Lehre des Ausgleichs der Tugenden und Laster und dem Maßhalten in allen Dingen beruht. 
 Eine Vielzahl von genauen Anleitungen zur Ernährung und Herstellung und Anwendung von Heilkräutern und Elixieren ist uns überliefert – auch die Heilwirkung von Steinen und Musik ist nicht ausgenommen. Das ganze Universum steht zur Gesunderhaltung von Mensch und Natur zur Verfügung wobei Hildegard 6 goldene Lebensregeln aufstellt:

  1. Um die Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen, nützen vor allem die Heilkräfte in der Natur. Lebensenergie schöpfen aus positiven Naturerlebnissen und natürlichen Heilmitteln
  2. Lebensmittel sollen Heilmittel für ein gesundes Leben sein. Auf die Subtilität (nützlichen Kräfte) der Lebensmittel achten.
  3. Schlafen, Wachen sowie Bewegung sollen ausgewogen sein – zur Regeneration überstrapazierter Nerven.
  4. Zwischen Arbeit und Freizeit besteht ein gesundes Gleichgewicht nach der Benediktiner Regel: "Ora et labora".
  5. Reinigung des Körpers von seinen Giften durch Fasten, Aderlaß, Schröpfen, - Ausleitung von Verunreinigungen und Schadstoffen aus dem Bindegewebe und dem Blut.
  6. Verwandeln der psychosozialen Schwächen in großzügige und liebevolle Taten - Stabilisieren der seelischen Abwehrkräfte: Erkennen der eigenen Schattenseiten (Laster = Risikofaktoren); und Versuchen, diese durch heilende Schutzfaktoren (Tugenden) auszugleichen.

Hildegard schaut den Menschen, wie er mit weit ausgestreckten Armen im Mittelpunkt des Kosmoskreises steht. Die Elemente, die Winde, die Sternbilder, alle Kreaturen sind auf den Menschen hin ausgerichtet; die kosmischen Kräfte senden ihm ihre Strahlen zu: der Kosmos ist Gottes Werk für den Menschen. Umfangen wird der Weltenkreis von Gottes Liebe, der Caritas, welche spricht: „Ich, das feurige Leben der Gottwesenheit, flamme dahin über die Schönheit der Felder. Ich leuchte in den Wassern, Ich brenne in der Sonne, im Mond und in den Sternen. In jeglichem Geschöpf bin ich die verborgene feurige Kraft…“ 

 Hildegard sieht also den Menschen als Krone der Schöpfung – doch eindrücklich schreibt sie in ihrer Visionsschrift „Liber divinorum operum“ (Das Buch der göttlichen Werke): 
 „[Gott hat] den Menschen mit allem umgeben und gestärkt und hat ihn mit gar großer Kraft rundum durchströmt, damit ihm die ganze Schöpfung in allen Dingen beistünde. Die ganze Natur sollte dem Menschen zur Verfügung stehen, auf dass er mit ihr wirke, weil ja der Mensch ohne sie weder leben noch bestehen kann.“  

Ihre Schriften können uns Orientierung in allen Lebensphasen und allen dringenden Anliegen der heutigen Zeit geben. So steht also für Hildegard außer Frage, dass der Mensch mit seinen Taten für die Natur verantwortlich ist und schreibt unmissverständlich im „Liber vitae meritorum“ (Buch der Lebensverdienste):  
„Gott hat alle Dinge so eingerichtet, dass eins auf das andre Rücksicht nehme. Je mehr einer vom anderen lernt, wo er von sich aus nichts weiß, umso mehr wächst doch in ihm das Wissen. Daher besitzt er durch die Wissenschaft Augen, um auf sich zu achten, damit er nicht in eine Gefahr renne und sich darin aufs Spiel setzte. Wenn der Mensch nämlich nicht darauf achten würde, wem könnte er dann durch sein Befehlen vorstehen? Welches Geschöpf würde ihm gehorchen, und was in der Schöpfung würde ihm noch dienen? Mit Hilfe der Natur setzt der Mensch ja ins Werk, was für ihn lebensnotwendig ist.“  

In den Zeiten der Klimakrise sind diese Texte aktuell wie nie zuvor…  
Die überlieferten Briefwechsel mit Geistlichen, Kaisern und Bischöfen und dem Papst geben uns einen Eindruck über die große Persönlichkeit dieser starken Frau, die allen Ratgeberin und Mahnerin war. 

Während sich die Abtei Hildegard in Bingen dem theologischen Werk annimmt und die wissenschaftliche Erforschung von Hildegards Lebensweg in den Händen des Hildegard-Museums in Bingen liegt, gab es in Konstanz am Bodensee Herrn Dr. Gottfried Hertzka, der als Pionier zusammen mit Herrn Dr. Wighard Strehlow, noch heute praktizierender Hildegard-Therapeut, die medizinischen Schriften übersetzt, und die Heilmethoden erforscht und an zahllosen Patienten nun über 45 Jahren erforscht, erprobt und therapiert hat und viele Ärzte und Heilpraktiker weitergebildet hat.